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Geschichte des Ortes und der Pfarrkirche
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Von der Nachfolge

Die Gnade unseres Herren Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Liebe Gemeinde,

in dieser Predigt werden Sie einige Selbstverständlichkeiten hören. Ich hoffe, Sie hören trotzdem zu. Ich vermute nämlich, dass die einfachen Dinge manchmal schwer zu entdecken sind. so auch hier:

„Leben ist, seien wir doch ehrlich, Leben ist immer lebensgefährlich“. Das hätte von Heinz Ehrhardt sein können, dem großen Meister des Wortes, der am vergangenen Donnerstag 100 Jahre alt geworden wäre. Es ist aber wohl von Erich Kästner, der auch viele kluge Sachen schrieb. Das Kluge daran ist, finde ich, dass dieser Spruch nicht nur heißt, dass alle, die leben, irgendwann einmal sterben, sondern eben auch, dass ein Leben, das der Gefahr aus dem Wege geht, kein Leben mehr ist. „Wer eine Mauer einreißt, den kann eine Schlange beißen“, hörten wir vorhin in der Liturgie. Der für den heutigen Sonntag vorgeschriebene Predigttext wird noch deutlicher:

Jesus war, so schreibt es Markus in seinem 8. Kapitel, inzwischen in ganz Judäa und Samaria bekannt geworden. Er trieb böse Geister aus, heilte Kranke, machte Blinde sehend und brachte Lahme auf die Beine. Den Jüngern wurde es klar: Das ist Christus, der von Gott gesalbte Menschensohn, der Richter und Retter. Jesus bat sie, davon noch nichts zu sagen. Selbst sagte er es aber, und damit beginnt unser heutiges Evangelium:

Und er fing an, sie zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. Und er redete das Wort frei und offen. Und Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihm zu wehren. Er aber wandte sich um, sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Geh weg von mir, Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.

Und er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird's erhalten. Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden? Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse? Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt unter diesem abtrünnigen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln. (Mk 8,31-38)

Eigentlich sind dies drei Geschichten oder Themen. Sie gehören zusammen, aber ich möchte sie zuerst einzeln erklären.

Die erste Geschichte sorgte dafür, was heute, kurz vor der Passionszeit, auf dem liturgischen Kalender steht: Jesus kündigt zum ersten Mal sein Leiden an. Nachdem den Jüngern klar geworden war, dass Jesus der Christus ist, brachte ihnen Jesus die Lektion für Fortgeschrittene bei: Denkt daran, was die Propheten über den Messias sagten: Er muss leiden, er wird verworfen und verachtet werden und getötet, er wird nach drei Tagen wieder auferstehen. Und es werden die Würdenträger unseres Glaubens sein, die diese Verachtung aussprechen und den Tod beschließen. Das wußte Jesus und er sprach es aus. Der Irrtum und die Schuld der Priester und Schriftgelehrten, das Leiden eines Gerechten ohne Schuld und dessen Tod, Jesus sprach davon „frei und offen“. Das heißt auch: Ohne Wertung, ohne Urteil, ohne Abwertung oder Ablenkung. Ohne jemand anderen die Schuld in die Schuhe schieben zu wollen, ohne die Jünger zu schonen. Auch sich selber schonte er nicht.

Die zweite Geschichte ist die vom Tabu. Petrus, ausgerechnet Petrus, der Wortführer, das Großmaul unter den Jüngern, nimmt ihn beiseite. „Du redest uns um Kopf und Kragen!“ „So kann man doch nicht über unsere Ältesten sprechen!“ „Mal doch nicht den Teufel an die Wand!, so schlimm wird s schon nicht werden“ - das stelle ich mir vor, hat er gesagt. Matthäus überliefert uns, was Petrus sagte: „Gott bewahre Dich! Das widerfahre Dir nicht, Herr!“ Ein verständlicher Wunsch. Jesus und die zwölfe waren Freunde geworden. Sie hatten alles verlassen, um bei Jesus zu sein. Und nun ist vom Tod die Rede. Der Tod passt nicht in diese Vorstellung. Und was nicht sein soll, darf nicht sein. So die Logik des Tabus.

Ein Tabu hat in einer Gesellschaft die Funktion, etwas Gefährdetes zu schützen. Es ist eine starke Medizin, die auch krank machen kann. Besonders dann, wenn die Gesellschaft sich verändert, das Tabu aber noch wirkt, dann werden Menschen krank davon. Dann ist das, was das Tabu schützen sollte, nämlich woanders. Das Gefährliche daran ist, dass man nicht darüber reden kann. Es ist eben Tabu. Ein solches Tabu ist für Petrus, nachdem er gerade davon überzeugt wurde, wer Jesus ist, dass dieser Menschensohn auch sterben muss – ja gerade dieser. Darin irrt Petrus gewaltig. Dieses Tabu ist falsch und fehl am Platze, weil es eine Lüge schützt. Eine Lüge zwar, die einem Gefühl der Nähe und Geborgenheit entspringt, aber dennoch eine Lüge.

Jesus wird sterben, und das, so wollte es Jesus, sollen die Jünger wissen. Nicht nur, dass er, wie alle Menschen, irgendwann im Alter stirbt, nicht nur, dass er die vielen kleinen Tode des Abschiedes und der Enttäuschungen stirbt, sondern er wird den Verbrechertod am Kreuz sterben, verurteilt von den eigenen Glaubensbrüdern, verkannt und verlacht, nach einem ungerechten Prozess.

Unvorstellbar für Petrus. Darüber zu reden: verboten. Petrus ist immerhin so mutig – das spricht für sein gutes und liebevolles Verhältnis zu Jesus – dies nicht für sich zu behalten, sondern Jesus beiseite zu nehmen. Er merkt es nicht, dass Jesus, wenn es stimmt, dass dieser der Sohn Gottes, der Gesalbte ist, schon wissen wird, was er sagt. Wie also geht Jesus mit diesem Tabu um? Er bricht es und bringt es zur Sprache, indem er es vor allen Jüngern sagt: „Du meinst nicht, was göttlich ist, sondern was menschlich ist.“

Jesus nimmt noch ein anderes Tabu in den Mund: Den Teufel, der bei vielen Menschen Angst auslöst. „Geh' von mir Satan!“, bedrohte er Petrus. In der Bibel ist der Satan der Verdreher, der verwirrt, und der Kläger, der die Menschen vor Gott beschuldigt. Also eine alltägliche Erscheinung. Ein innerer Schweinehund, den es sich durchaus anzusehen lohnt. Satan kommt vernünftig daher, aber Gott urteilt anders. Nicht was ein Mensch sich zu schulden kommen ließ, gilt vor Gott, sondern ob er Jesus vertraut. Nicht was Menschen über ihn sagen, sondern was Gott in ihm sieht. So auch hier.

Wer Gott vertraut, braucht keine Angst zu haben, nicht vor dem Teufel und nicht vor dem Tod. Wer Jesus glaubt, kann die Wahrheit aushalten, und muss kein Tabu daraus machen, was an Ungerechtem geschieht. Auch deshalb ist dieser Predigttext heute, am Sonntag vor dem Rosenmontag, dran: Traditionell war es den Narren vorbehalten, dem König die Wahrheit zu sagen. Ein Brauch, der nur noch selten geübt wird. In einer Demokratie, in der es vom Grundgesetz erlaubt ist, seine Meinung frei zu äußern, scheint es auch nicht mehr so zu sein, für Freiheit, Gleichheit und Menschenrecht sein Leben zu riskieren. Aber wer im Betrieb oder im Verein unbequeme Wahrheiten ausspricht, muss auch heute mit Nachteilen rechnen. Deshalb ist der Text immer noch aktuell. Denn nach dieser Klarstellung vor den Jüngern ruft Jesus das ganze Volk zusammen und sagt Ihnen die berühmten Worte von der Nachfolge, die – obwohl so einfach – so schwer zu fassen sind. Es ist die dritte Geschichte.

„Wenn Christus einen Menschen ruft, dann fordert er ihn dazu auf, zu kommen und zu sterben.“, schrieb Dietrich Bonhoeffer. Pfarrer Bonhoeffer wurde in den letzten Kriegstagen - übrigens gemeinsam mit Karl Sack, an den die Tafel draußen an unserer Kirche erinnert -  von den Nazis umgebracht, er folgte Jesus tatsächlich im wörtlichen Sinne um seines Zeugnisses willen in den Tod. Nicht jeder Christ stirbt so, aber jeder Christ muss loslassen können. Das sieht man schon an den zwölf Jüngern selbst, deren Leben unterschiedlich verlief: Judas brachte sich aus Verzweiflung selber um, Philippus und Jakobus wurden alt und starben ohne fremde Gewalt, Petrus aber wurde der Überlieferung zufolge in Rom gekreuzigt, nachdem er viele Gemeinden gründete.

Alle Apostel hatten sich rufen lassen. „Entschieden für Christus“, so nennen es manche. Diese Sprache ist gefährlich, denn es war doch Jesus, der sie rief und in ihnen die Umkehr bewirkte, von sich aus hätte es keiner der Jünger tun können, und auch wir heute müssen uns zwar immer wieder für das Gute und Bestmögliche entscheiden, aber Jesus hat sich schon längst für uns entscheiden. Ihm nachzufolgen, davon ist hier die Rede, bedeutet, von sich selber und seinen Möglichkeiten abzusehen.

Nicht die Unsterblichkeit, von der Petrus träumte, sondern Tod und Auferstehung sind bei Gott angesagt. Nicht das bequeme Leben ohne Gefahr, sondern eine Wanderschaft, um Kranke zu heilen und die gute Nachricht zu verkündigen, nicht das Wegschauen, sondern das Eintreten für Schwache, Sprachlose und Unterdrückte machen ewiges Leben aus.

Wer mit offenen Augen durch das Leben geht, auch in Deutschland 2009, wird unter Vielem leiden. Es tut weh, den Sachen auf den Grund zu gehen und dabei Ungerechtigkeit, Naturschändung und Menschenverachtung zu entdecken. Kinder können es noch, wir Großen haben es zum Teil verlernt. Uns ruft Jesus zu:

"Denkt nicht daran, wie ihr möglichst ohne Schmerz durchs Leben kommt, wie ihr Schätze sammeln oder euch verblenden könnt.
Wacht auf: Wenn ihr meint, Euch selber retten zu können, dann werdet ihr nicht leben. Leben heißt Lieben und Liebe kann weh tun."

Zum Lieben gehört es, dem Anderen Gutes zu wollen, von sich selber abzusehen und auf die Abrechnung zu verzichten. Mag sein, dass mir Unrecht geschah – es soll vergeben sein, wie Jesus auch den Hohepriestern vergab, die ihn ans Kreuz brachten. „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele schaden? Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?“

Gar nichts. Schminke und Operationen sind schön und gut, aber sie verlängern kein Leben auf ewig. Unsterblichkeit ist ein Thema in der Phantasie und Mythologie. Unsere Bibel redet von der Auferstehung der Toten. Das ist etwas völlig anderes.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

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