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Geschichte des Ortes und der Pfarrkirche
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Sie sind hier:  StartseiteSpiritualität>Predigten>Die es erleben, sind wie neugeboren. (Quasimodogeniti 2011)

Eine Auferstehungsgeschichte

1Danach erschien Jesus den Jüngerinnen und Jüngern noch einmal am See von Tiberias. Er erschien so: 2 Simon Petrus und Thomas, der Didymos oder Zwilling genannt wird, und Natanaël aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere von seinen Jüngerinnen und Jüngern waren zusammen. 3 Simon Petrus sagte zu ihnen: »Ich gehe fischen. « Die anderen sagten zu ihm: »Wir kommen mit dir mit.« Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, aber in jener Nacht fingen sie nichts.
4 Als es schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, die Jünger und Jüngerinnen wussten jedoch nicht, dass es Jesus war. 5 Da sagte Jesus zu ihnen: »Kinder, ihr habt wohl keinen Fisch?« Sie antworteten ihm: »Nein.« 6 Er sagte zu ihnen: »Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus, dann werdet ihr welchen finden.« Sie warfen es aus und konnten es nicht mehr heraufziehen wegen der Menge der Fische. 7 Da sagte jener Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: »Es ist Jesus der Lebendige.« Als Simon Petrus hörte, dass es Jesus sei, zog er sein Oberkleid an, denn er war nackt, und sprang in den See.
8 Die anderen Jünger und Jüngerinnen kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht weit vom Land entfernt, nur etwa 100 Meter. Sie zogen das Netz mit den Fischen. 9 Als sie an Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer mit Fischen darauf und Brot. 10 Jesus sagte zu ihnen: »Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt!« 11Simon Petrus stieg aus dem See hinauf und zog das Netz an Land. Es war mit 153 großen Fischen gefüllt. Obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht. 12 Jesus sagte zu ihnen: »Kommt und frühstückt!« Niemand von den Jüngerinnen und Jüngern wagte zu fragen: »Wer bist du?« Denn sie wussten: Es war Jesus der Lebendige. 13 Jesus kam, nahm das Brot und gab es ihnen, und den Fisch ebenso.
14 Dies war schon das dritte Mal, dass Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern erschien, nachdem er von den Toten auferweckt war. (Joh 21,1-14)

Liebe Gemeinde,

es ist eine Auferstehungsgeschichte, knapp und doch anschaulich erzählt, voller Zeichen und Symbole, eine Geschichte, in der Johannes erzählt, wie die Jünger mit ihrer Trauer umgehen und wie sie Mut zu neuem Leben bekommen. Eine Geschichte, die sich früh morgens abspielt, im Dämmerlicht, zwischen Nacht und Tag, Ende und Anfang, Abschied und Neubeginn.
Wir können es uns vorstellen, wie es damals war, an diesem frühen Morgen. Der See liegt noch verhangen, die Klarheit des neuen Tages ist noch nicht erschienen. Wie im Traum spiegeln sich vergangene Erlebnisse wider in der Seele. Vieles klingt an, viele Geschichten sind verwoben für die Männerrunde neu erzählt und für die Gemeinde des Johannes und für uns heute. Schauen wir genau hin:

Ein paar aus dem Jüngerkreis sitzen am See Tiberias zusammen. Sieben sind es, sieben verschiedenen Männer, sieben, die verschiedenen Typen symbolisieren, die es damals in der johannäischen Gemeinde und in heutigen Gemeinden gibt: Da ist Petrus, Verleugner und Fels der Kirche in einem, Thomas, der Zweifler und Nachfrager, Nathanael aus Kana, der große Bekenner und „rechte Israelit, in dem kein Falsch ist“, die Söhne des Zebedäus, die Eiferer, die Feuer vom Himmel fallen lassen wollen, um ein samaritanisches Dorf zu vernichten und die sich schon zu Lebzeiten die besten Himmelsplätze sichern wollen, der Jünger, den Jesus besonders lieb hatte und ein siebter, ungenannter.
Diese sieben Jünger, unterschiedlich in ihrem Charakter und in der Zahl wiederum stellvertretend für die Gesamtheit der Kirche (wie die sieben Sendschreiben des Sehers Johannes in der Offenbarung) sind also an diesem Morgen zusammen. Sie versuchen, zu verarbeiten, was sie erlebt haben, in Jerusalem, bei der Verhaftung, Verurteilung, Kreuzigung, beim Tod und dem Ende aller Hoffnungen mit Jesus von Nazareth. Weniger Reden, eher Schweigen. Sie wissen nicht so recht, was sie mit sich selbst und ihrer Zeit anzufangen sollen. Männer trauern anders als Frauen. Die Frauen sind zum Grab gegangen, allein wie Maria aus Magdala, von der Johannes erzählt. Zu dritt oder zu mehreren, wie die anderen Evangelisten berichten. Dem Toten einen letzten Dienst erweisen, seine Nähe suchen bis zuletzt. Sie setzen sich der Trauer aus. Die Männer, erzählt Johannes, sind zurückgegangen dahin, wo sie her gekommen sind. Zurück in den Alltag, anknüpfen ans Vertraute. Die Trauer verdrängen. Pragmatisch. Praktisch. Das Leben muss ja weitergehen. “Ich gehe fischen“, sagt Petrus. Das kann er, das kennt er. Das kennen Viele. Das Gewohnte gibt Halt, ein Gerüst, ein Geländer zum Festhalten, wenn das Leben weitergehen soll und ich selber auch. Obwohl mir doch der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Wie gut, dass es einen Alltag gibt, Gewohnheiten, Dinge, die einfach getan werden müssen. Vielen hilft das, auch heute. Wir kennen das. Während die einen sich noch kaum vorstellen können, wie es je wieder einen Alltag für sie geben kann, sind andere dankbar für einen geregelten Tagesablauf mit festen Strukturen und Regeln. Etwas zu tun haben. Wegkommen aus dem ständigen Grübeln: was wäre wenn und hätte ich nicht vielleicht. Der gewohnte Alltag gibt Schutz. Arbeit hilft Manchen, die Trauer zu verarbeiten. Besser, wieder ins Büro, ins Geschäft, auf die Baustelle zu kommen statt daheim zu sitzen, wo die Erinnerungen in jeder Ecke lauern. Das Gefühl, mir fällt gleich die Decke auf den Kopf. Lieber aktiv sein, sich ablenken und beschäftigen. So sind auch die anderen erleichtert über Petrus’ Entschluss. Sie stehen auf, „Wir kommen mit!“ Endlich etwas zu tun. Die Handgriffe sitzen noch wie selbstverständlich, die Netze ins Boot, die Boote ins Wasser. Aber „In dieser Nacht fingen sie nichts.“ Auch das noch. Nicht mal das klappt mehr. Umsonst die Anstrengung, vergeblich die Mühe. Irgendwie passt es auch zu allem, was sie in den letzten Wochen erlebt haben. So viel Einsatz, so viel Herzblut und am Ende doch das Scheitern.

Wofür also das alles? Wofür haben sie sich eingesetzt, gerackert, geschuftet? Wie viele fragen sich das auch und empfinden ähnliche Enttäuschung? Wie viele kennen das auch, sich vergebens gemüht zu haben und dann bleiben sie zurück mit dem Gefühl einer großen Leere. Ja, was ist denn geblieben von den Jahren im Beruf, dem Engagement, den Überstunden – jetzt ist trotzdem die Kündigung gekommen. Frauen müssen sich immer noch doppelt anstrengen, besser sein als die Männer, wenn sie eine gute Position erreichen möchten. Oft haben sie die besseren Abschlüsse und bleiben trotzdem auf der Strecke – sie gelten als Risikofaktor, könnten schwanger werden, wegen der Kinder zu oft fehlen. Schaffen sie es dennoch, sind nach wie vor sie es, die doppelt belastet sind. Und die Kinder, oft von ihnen allein groß gezogen? Was ist geblieben von den Jahren voller Fürsorge für die Kinder, den durchwachten Nächten, dem Trost bei ihrem ersten Liebeskummer, der geduldigen Hilfe bei den Hausaufgaben – jetzt sind sie fort, gehen eigene Wege und hin und wieder kommt eine pflichtschuldiger Anruf, eine Mail, eine SMS. Was ist geblieben von der Partnerschaft? Jahrelang gemeinsam etwas aufgebaut, die Wohnung eingerichtet, die Kinder großgezogen, eigene Bedürfnisse hinten angestellt – und dann geht er oder sie in ein neues Leben ohne mich. Was bleibt, ist Enttäuschung. Einsamkeit. Manchmal auch Wut. Das soll nun alles gewesen sein? Oder für die Schule, für eine Arbeit gebüffelt, sich angestrengt, und dann doch eine schlechte Note. Wozu überhaupt noch lernen? Nützt doch nichts! „In jener Nacht fingen sie nichts!“ “Am anderen Morgen aber stand Jesus am Ufer.“ Ein neuer Morgen. Ein neuer Anfang. Aber das merken die Männer nicht gleich, so wenig wie sie Jesus erkennen, frustriert wie sie sind. Auch Trauer und Tränen machen blind. Die Trauernden und Enttäuschten haben keinen Blick mehr für die Freundinnen und Freunde – sie können letztlich doch nicht verstehen. Wer Trennung und Leid nicht selbst erlebt, steht auf der anderen Seite. Wer trauert, ist allein. Das Gestern ist noch so gegenwärtig. Die Gegenwart ist schwer genug zu bewältigen. Der Gedanke an die Zukunft ist unendlich fern.
So geht es den Jüngern. Und dann auch noch mit der Nase darauf gestoßen zu werden, dass ihre Arbeit nicht erfolgreich war, macht die Jünger auch nicht heiterer. „Kinder, ihr habt wohl keinen Fisch?“, fragt der fremde Beobachter. Nein, das haben sie nicht. Nicht die richtige Nahrung jedenfalls, die nicht nur den Magen füllt, sondern die Seele und das leere Herz. Wo ein gemeinsamer Weg zu Ende gegangen ist, sich Wege getrennt haben, bleibt eine Leerstelle. Das Herz hat verloren, wovon es sich nährte. Das Denken, Planen, Fühlen verliert sein Ziel und Zentrum. Und das Essen? Nebensache. Unwichtig. Egal. Nichts schmeckt mehr. Weil alles nach Trauer schmeckt, salzig, nach Tränen.

Es braucht Zeit, sich neu zu orientieren und den eigenen, neuen Weg nun zu finden. Aus eigener Kraft ist es schwer, der Seele neue Nahrung zu geben. Aber die Erinnerung an erlebte Gemeinsamkeit und glückliche Tage kann dabei helfen. In unsererr Geschichte hilft der Fremde der Erinnerung auf die Sprünge. Er gibt den Ratschlag, wie die Fischer es besser machen können: „Werft euer Netz an der rechten Bootsseite aus! Dann werdet ihr welchen finden.“ Kennen sie das nicht schon? Erinnert sie das nicht an etwas? War es nicht so auch am Anfang gewesen, damals, als sie alles stehen und liegen ließen, um mit Jesus zu gehen? Ein Fremder am Ufer nach einer erfolglosen Nacht, der ihnen den absurden Rat gibt, noch einmal rauszufahren. So war es damals, am Anfang ihrer Geschichte mit Jesus.

Und gegen alle Erfahrung tun sie es und haben Erfolg, fangen so viel, dass ihnen die Netze reißen. Sie tun es auch jetzt, folgen seinem Rat, nehmen die rechte Seite. Und das Netz füllt sich. Diesmal reißt es nicht. Es ist anders. Sie fangen 153 Fische, so viele Arten gab es damals, die Zahl ist Zeichen für die Vielfalt und Fülle, für alles, was sie sich vorstellen können. Und in diesem Moment ist sie da, die Erinnerung, spricht es der erste aus: „Es ist Jesus der Lebendige!“ Und wieder ist es Petrus, der vor Begeisterung sofort losstürmt, sich ins Wasser wirft, wie er es schon einmal getan hat. Wieder eintauchen ins Leben. Es ist wie damals und doch ganz anders. Erinnerung und Erleben verschmelzen miteinander.

Was ist Traum, was ist Wirklichkeit? So ganz klar wird es nicht. Nur eines ist ganz klar. Die Jünger wissen: Es ist Jesu der Lebendige. Ihnen sind die Augen und das Herz aufgegangen. Als er sie einlädt, „Kommt her und esst“, da wissen sie es längst, und die gemeinsame Mahlzeit macht sie endlich satt. An Leib und Seele. Die Gemeinschaft wärmt wie das Feuer. Gespräche und Geschichten, Erinnerungen und Erfahrungen. Das Leben beginnt wieder zu schmecken. Irgendwann, fast unmerklich zuerst, fängt es an. Zögernd noch und vorsichtig, leise. So erleben es Trauerde, manchmal nach kurzer Zeit, manchmal nach langer Zeit, je nachdem.
Zum ersten Mal wieder lachen und sich nicht sogleich schämen dafür. Mit den Freundinnen am Tisch sitzen und mitreden, nicht länger verstummen. Wieder mehr Mut fassen, von Tag zu Tag. Beruflich etwas ganz Neues beginnen und endlich der eigenen Neigung folgen. Eine neue Freiheit spüren nach der Scheidung. Die Wohnung anders einrichten. Ferienpläne machen. Die Tochter anrufen und einladen. In den Spiegel schauen und lächeln. Wieder da sein. Angekommen im Leben. „Keiner wagte zu fragen: Wer bist du?“ Was ist Traum, was ist Wirklichkeit? Es wird auch jetzt nicht klar. Soll es vielleicht auch nicht, es gibt keine handfesten Beweise. Es geht nicht darum, was wirklich, sondern darum, was wahr ist. So wenig wie ein Fantasyroman eine wirklichkeitsgetreue Geschichte erzählt, so wenig will das Johannesevangelium einen Tatsachenbericht liefern, sondern das innere Erleben der Jünger schildern. Ihren Weg von Trauer, Enttäuschung und Vergeblichkeitsgefühlen hin zu neuem Mut und zum Aufbruch in ein neues Leben. In ein Leben, in dem sie ihre Erfahrungen mit Jesus weiter tragen, in Worten und Taten.
Gemeinsam mit den Frauen, die ihre eigenen Erfahrungen mit der bleibenden Gegenwart Jesu gemacht haben und auf ihre Weise davon erzählen und sie weitergeben.

Eine Stunde zwischen Tag und Traum, zwischen Ende und Neubeginn – ganz verdichtet erzählt das Johannes-Evangelium von dieser Erfahrung, die im wirklichen Leben sehr viel mehr Zeit braucht. Aber sie kann ihren Anfang nehmen in diesen Stunden zwischen Nacht und Tag. So wie bei Jakob, der mit Gott kämpft zwischen Nacht und Tag und um seinen Neuanfang ringt und um den Segen. So ist es bei den Frauen, die im ersten Dämmerlicht zum Grab Jesu gehen, und so ist es hier bei den Männern in der Morgendämmerung am See. Ihre Erlebnisse gleichen sich und sind doch verschieden, so wie jeder Weg vom Ende zum neuen Anfang verschieden ist.

Was Auferstehung bedeutet, wie sich Jesus zeigt im Leben von Menschen, wie und wo er ihnen begegnet, das ist immer wieder anders und immer wieder neu. Die es erleben, sind wie neugeboren. Sie müssen nicht viele Worte darüber verlieren. Kein unnötiges Gerede, das den Zauber zerstören, das Wunderbare zerreden könnte. „Sie wussten aber, dass es Jesus der Lebendige war.“

Amen.

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